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REDEN WIR ÜBER GUTE ARBEIT! Arbeitsbedingungen aus der Sicht von Solo-Selbstständigen – Eine Erhebung

Wie schätzen Solo-Selbstständige ihre Arbeitsbedingungen ein? Was belastet sie? Was erhält sie gesund? Macht mit bei der Erhebung und findet gemeinsam mit uns heraus, wie es Solo-Selbstständigen mit ihrer Arbeit geht!

Wie geht es euch mit euren Arbeitsbedingungen? Was belastet euch? Was erhält euch gesund?

In einer bundesweiten und branchenübergreifenden Online-Erhebung befragen wir euch im Herbst 2024, wie ihr eure Arbeitsbedingungen erlebt.

Wir fragen:

  • wie ihr eure Arbeit gestaltet und welche Spielräume ihr habt,
  • wie die Zusammenarbeit mit Auftraggeber*innen läuft,
  • wie es um Einkommen und soziale Absicherung steht,
  • wie ihr Arbeits– und Erholungszeiten gestaltet,
  • wie es mit der Unterstützung aus euren Netzwerken aussieht und vieles mehr.

Mit diesen Fragen wollen wir herausfinden, wie es um gesunde, existenzsichernde und anspruchsgerechte Arbeit für Solo-Selbstständige bestellt ist. Wie können die Vorzüge der Solo-Selbstständigkeit gelebt und Gute Arbeit gestaltet werden?

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Hier findet ihr Materialien für die Verwendung in euren Newslettern und Social Media.

Hintergrund

Wozu das alles? Erfahrt in unserem Interview und Podcast mehr zum Hintergrund der Erhebung.

Macht mit! Es lohnt sich!

Sichtbarkeit für eure Arbeitsbedingungen!

Arbeit ist gestaltbar! Die Daten, die wir zu eurer Arbeitsrealität erheben, sind kein Selbstzweck für uns. Sie sind Anlass für Debatte und Bewegung: Solo-Selbstständige haben ein Recht auf gute Arbeitsbedingungen – Wie sehen also die Rahmenbedingungen aus, unter denen Solo-Selbstständige fair und gesund arbeiten können? Die Ergebnisse sollen Eingang in Politik und Öffentlichkeit finden. Sie werden Interessensverbänden von Solo-Selbstständigen und allen Interessierten zur Verfügung gestellt und gemeinsam diskutiert.

Kräfte bündeln und Veränderungen anstoßen!

Die Erhebung bezieht alle Branchen und Berufe mit ein. Mit den Ergebnissen können wir deshalb identifizieren, welche Schnittmengen für interessenpolitische Arbeit von Verbänden, Gewerkschaften, Vereinen und Initiativen existieren. Gemeinsam mit Solo-Selbstständigen und ihren Interessenvertretungen wollen wir ausloten, bei welchen Themen Handlungsbedarfe bestehen und wie diese gemeinsam angepackt werden können.

Journalistische Beiträge

Die Autor*innen präsentieren hier in Kurzform ihre Ergebnisse in der Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und der Philipps-Universität Marburg. Im Fokus stehen der Arbeits- und Gesundheitsschutz von Solo-Selbstständigen. Die gesamte Studie findet sich auch unter den wissenschaftlichen Beiträgen.
Hünefeld, Lena; Otto, Kathleen; Schummer, Steffen; Kottwitz, Maria (2018): Solo-Selbstständige - selbstständig Gestaltende der eigenen Arbeits- und Gesundheitssituation? Arbeitsschutz digital.

Wilhelm und Zieschang stellen in dem Artikel die Ergebnisse ihrer Befragung „selbst und ständig“ vor. Besonderes Augenmerk liegt auf der arbeitsrechtlichen Stellung von Solo-Selbstständigen, Stressoren und Präsentismus. Des Weiteren formulieren die Autorinnen Empfehlungen für Präventionsmaßnahmen. Die gesamte Studie des Instituts für Arbeit und Gesundheit findet sich auch unter den wissenschaftlichen Beiträgen.
Wilhelm, Pia; Zieschang, Hanna (2021): Arbeitsbedingungen und Arbeitszeit von Soloselbstständigen – Schlussfolgerungen für ein zielgerichtetes Präventionsangebot. DGVU forum.

In diesem Blogbeitrag werden digitaler Stress und gesundheitliche Belastungen bei digitaler Arbeit thematisiert. Hier finden sich einige Tipps, wie v.a. Freelancer*innen im digitalen Arbeitssektor für ihre Gesundheit sorgen können.
Freelance.de Blog (2022): Gesundheit in der modernen Arbeitswelt – Von aktiver Förderung und Vor- und Nachteilen des Digitalen.

Arbeitssucht ist nach wie vor eine selten thematisierte Ursache für Burnout und Depressionen. In diesem Artikel wird die Arbeitssucht bei Soloselbstständigen in den Blick genommen und Hinweise zum Hilfesystem (ärztliche und therapeutische Behandlungsangebote) gegeben.
Deutsche Handwerkszeitung/dpa (2023): Wenn die Psyche leidet: Hier bekommen Selbstständige Hilfe.

Im Netz gibt es einige Tipps für Selbstständige, wie sie auf ihre psychische Gesundheit achten können. Dieser Beitrag steht hier exemplarisch. Er macht deutlich, dass auch Self-Care soziale Kontakte und Vernetzung mit anderen Selbstständigen braucht.
Haug, Ina (o. J.): Psychisch gesund in der Selbstständigkeit. Blogbeitrag auf gründerinnenzentrale.de

Auf dem dju-Journalismustag waren Arbeitsbedingungen und Arbeitsgesundheit (freiberuflicher) Journalist*innen zentrale und viel diskutierte Themen. Eine detaillierte Zusammenfassung der Diskussions- und Redebeiträge findet sich in der Onlineversion des Medienpolitischen ver.di Magazins „M – Menschen Machen Medien“.
Nehrlich, Helma; Wenk, Karin (2024): #JT24: Nicht nur eine Frage von Selfcare. M Online Menschen Machen Medien.

Podcasts

Thomas Mangold erläutert im Podcast „Besser gründen“ die Risiken von Stress im selbstständigen Berufsalltag und gibt Hinweise zu Stressmanagement und -prävention.
Podcast „Besser gründen – Tipps für Unternehmer, Freiberufler und Start-ups #148 Strategien zur Stressprävention und -bewältigung für Selbstständige

Ingo Becker spricht im Podcast „Besser gründen“ über sein eigenes Burnout, gibt Hinweise, wie Selbstständige sich davor schützen können und wo sie Unterstützung finden.
Podcast „Besser gründen – Tipps für Unternehmer, Freiberufler und Start-ups #129 Burnout vorbeugen: So vermeidest du die Abwärtsspirale

Handlungsempfehlungen

Im Onlineangebot „Ratgeber Selbstständige“ findet sich im Kapitel „Gesundheit“ eine Übersicht über physische und psychische Arbeitsbelastungen. Lesenswert ist auch das Vertiefungskapitel „Arbeitsdruck bewältigen“, in dem Detailinformationen zu den Themen Work-Life-Balance, Stress erkennen, Selbstmanagement, Ergonomie und vielem mehr bereitgestellt werden.
Selbststaendigen.info: Ratgeber Selbstständige, Kapitel Gesundheit. Webseite, Onlineangebot.

Das Institut für gesundheitliche Prävention bietet in seinem Projekt „Gesunde Impulse für Selbständige“ in zahlreichen Video- und Blogbeiträgen Informationen und Empfehlungen zur psychischen und physischen Gesundheit für Selbstständige. Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit dem BMAS und der BAuA.
Projekt Gesunde Impulse für Selbstständige: Selbständig gesund - gesunde Selbständige?! Webseite, Onlineangebot.

Wissenschaftliche Beiträge

Der Beitrag befasst sich mit gesundheitsbezogenen Präventionsproblemen und Risikopotentialen flexibler Arbeitsstrukturen am Beispiel von Solo-Selbstständigen und Angestellten in der IT-Branche. Er geht vor allem auf die Herausforderung ein, dass bestehende Angebote zur Prävention und Gesundheitsförderung für sehr autonom Arbeitende nicht passend sind und skizziert die Rahmenbedingungen solo-selbstständigen Erwerbs relativ ausführlich.
Becke, Guido (2007): Gesundheitsförderung in flexiblen Arbeitsstrukturen der 'digitalen Wirtschaft': Problemfelder und Gestaltungsperspektiven bei abhängiger und alleinselbständiger Erwerbstätigkeit. (artec-paper, 142). Bremen: Universität Bremen, Forschungszentrum Nachhaltigkeit

Die Autorin stellt in ihrer Dissertationsschrift die Entwicklung eines Fragebogens vor, mit dem die für Freelance-Tätigkeiten typischen, stressrelevanten Tätigkeitsmerkmale analysiert werden können.
Clasen, Julia (2009): Die Arbeitsbedingungen von Freelancern. Entwicklung und Validierung eines Instruments zur stressbezogenen Analyse der Arbeit von Freelancern.

Dieser Beitrag stellt das Konzept der Arbeitsgestaltungskompetenz vor, welches autonom Arbeitende dabei unterstützen kann, mit den Anforderungen, die eigene Arbeit selbstständig zu gestalten, besser umzugehen. Der Beitrag entstand im Zusammenhang mit dem Verbundprojekt „EngAGE – Entwicklung einer Online-Intervention zur Förderung von Arbeitsgestaltungs- und Gesundheitskompetenz bei selbstgestalteten Arbeitsbedingungen“ aus dem ein kostenpflichtiges Lernmodul entstand, das auf die besonderen Umstände von Solo-Selbstständigen zugeschnitten ist:
Dettmers, Jan; Clauß, Elisa (2018): Arbeitsgestaltungskompetenzen für flexible und selbstgestaltete Arbeitsbedingungen. In: Janneck, Monique, Hoppe, Annekatrin (Hrsg.) Gestaltungskompetenzen für gesundes Arbeiten. Kompetenzmanagement in Organisationen. Springer, Berlin, Heidelberg, S. 13-25.

Der Beitrag fokussiert besondere Anforderungen und Belastungen, die mit Solo-Selbstständigkeit verknüpft sind und unterstreicht die Bedeutung von personalen, sozialen und institutionellen Ressourcen. Abschließend werden Präventionsmöglichkeiten und Gestaltungsmaßnahmen vorgeschlagen.
Ertel, Michael; Pröll, Ulrich (2004): Arbeitssituation und Gesundheit von „neuen Selbstständigen“ im Dienstleistungssektor. In: Arbeit, Vol. 13 (1), S. 3-15.

Die quantitative Online-Erhebung geht der Frage nach, wie Solo-Selbstständige ihre Arbeits- und Erholungszeit gestalten und wie sie durch Präventionsangebote erreicht werden können.
Fietz, Thomas; Wilhelm, Pia (2021). iga. Report 46. Selbst und ständig? Arbeitszeitgestaltung und Gesundheitsverhalten von Soloselbstständigen. iga

Diese Veröffentlichung gibt einen Überblick über die Untersuchung ›Was ist gute Arbeit? Anforderungen aus der Sicht von Erwerbstätigen‹, die 2004 im Auftrag der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) durchgeführt wurde. Die Frage, was gute Arbeit ist, wird aus verschiedenen Blickwinkeln untersucht: Zum einen steht die wahrgenommene Qualität der gegenwärtigen Arbeitssituation im Zentrum. Darauf aufbauend geht es um die Frage, in welchem Maße als belastend empfundene Anforderungen auftreten, und in welchem Maße Ressourcen zur Verfügung stehen. Auch die Einkommensverhältnisse finden Berücksichtigung. Solo-Selbstständige wurden zwar einbezogen, aber nur teilweise ausgewertet.
Fuchs, Tatjana (2006): Was ist gute Arbeit? Anforderungen aus der Sicht von Erwerbstätigen. Konzeption und Auswertung einer repräsentativen Untersuchung (2. Aufl.). Wirtschaftsverlag NW, Dortmund, Berlin, Dresden.

Gerlmaier beschreibt auf Basis einer Studie mit 224 Personen, zusammengesetzt aus Intrapreneuren und solo-selbstständigen IT-Spezialist*innen die besondere Anforderungs- und Ressourcenlage sowie die gesundheitlichen Folgewirkungen flexibler Erwerbsformen aus einer arbeitswissenschaftlichen Perspektive.
Gerlmaier, Anja (2002): Neue Selbstständigkeit in der Informationsgesellschaft. Ein Vergleich von Anforderungen und individuellen Ressourcenpotentialen bei autonom-flexiblen und arbeitsteiligen Arbeitsformen im IT-Bereich.

Es handelt sich um den Abschlussbericht eines von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) geförderten Projektes zur Arbeits- und Gesundheitssituation von Soloselbstständigen und Mehrfachbeschäftigten. Er fokussiert Belastungsfaktoren und Ressourcen, gesundheitliche Konsequenzen und Wünsche bezüglich der Integration in den Arbeits- und Gesundheitsschutz von Solo-Selbstständigen. Dabei wurde unter anderem ein komplexes Rahmenmodell zu den Wirkfaktoren für das Erleben von Arbeitsbelastungen durch Solo-Selbstständige entwickelt. Hier findet sich die Kompaktfassung
Kottwitz, Maria U.; Otto, Kathleen; Hünefeld, Lena (2019): Belastungsfaktoren, Ressourcen und Beanspruchungen bei Soloselbstständigen und Mehrfachbeschäftigten

Die EU hat 2003 eine Empfehlung verabschiedet, zielgruppenspezifische Angebote und Maßnahmen zu entwickeln, um die Gesundheitsgefährdung Selbstständiger im Zusammenhang mit ihrer Erwerbsarbeit in den Blick zu nehmen. Das hier dokumentierte Projekt selbstständig & gesund der BAuA hatte die Aufgabe, diesen Prozess in Deutschland konzeptionell zu unterstützen. Diskutiert werden auch Präventions- und Gestaltungsmaßnahmen.
Pröll, Ulrich. et al. (2007): Selbstständig und gesund – Prävention und Gesundheitsförderung bei selbstständiger Erwerbsarbeit. Bremerhaven.

Aktuelle Beiträge zur Erhebung

Glossar

Arbeit und Gesundheit

Wenn heute von Work-Life-Balance oder mental health die Rede ist, dann geht es um einen altbekannten Zusammenhang, der jedoch an Aktualität nicht eingebüßt hat: Arbeits- und Lebensqualität hängen unmittelbar zusammen. Da Arbeit einen Großteil unseres Lebens ausmacht, hat sie einen erheblichen Einfluss auf unsere Lebensqualität, das körperliche sowie psychische Wohlbefinden und die Gesundheit. Ob Arbeit glücklich oder krank macht, hängt wesentlich davon ab, wie die Arbeitsbedingungen konkret ausgeprägt sind.

Wie die Arbeit von Solo-Selbstständigen gestaltet ist, wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Denn auch wenn Solo-Selbstständige allein („solo“) arbeiten, tun sie dies nicht isoliert: Sie sind in Strukturen von Unternehmen und Organisationen, für die Aufträge erbracht werden, genauso eingebunden wie in eine Reihe von persönlichen Beziehungen, insbesondere zu Auftraggebenden bzw. Kund*innen, aber auch Kolleg*innen und Kooperationspartner*innen. Zudem findet ihre Arbeit immer in einem größeren Kontext statt: Da ist zum einen der Markt, der Absatzmöglichkeiten bestimmt, für den passende Produkte zur richtigen Zeit am richtigen Ort gefunden werden müssen und auf dem Wettbewerbsdruck herrscht („Markt- und Produktkontext“). Da ist zum anderen der private Kontext, der durch familiäre Verantwortlichkeiten wie Kinderbetreuung oder Pflege von Eltern Grenzen setzt, aber genauso auch wichtige Unterstützungsmöglichkeiten bietet. Die Arbeitssituation wird außerdem beeinflusst durch individuelle Merkmale, wie die persönlichen Ziele und Motive in der Selbstständigkeit oder die Qualifikation (Kottwitz et al 2019).

Die konkreten Arbeitsbedingungen, die für das Befinden und die Gesundheit bedeutend sind, ergeben sich bei Solo-Selbstständigen zum einen aus der beruflichen Tätigkeit, zum anderen aus ihrem Status. So leuchtet mit Blick auf die Vielzahl an unterschiedlichen Berufen – von der Kfz-Mechanikerin, der Reinigungskraft, über die Hebamme, den bildenden Künstler, die Journalistin, den Übersetzer, die Honorarlehrkraft oder die IT-Freelancerin – unmittelbar ein, dass körperliche, aber auch psychische Anforderungen und Möglichkeiten der Arbeit je nach ausgeübter Tätigkeit sehr unterschiedlich ausfallen können. Mit dem Status der Solo-Selbstständigkeit sind hingegen Möglichkeiten ebenso wie Anforderungen verbunden, die ein Stück weit unabhängig vom Beruf sind: Dazu zählen allen voran die Autonomiespielräume auf der einen Seite, d.h. die ausgeprägten Möglichkeiten seine Arbeit unabhängig und nach eigenen Vorlieben gestalten zu können. Auf der anderen Seite steht die große Verantwortung für alle Arbeitsaufgaben und das ganze Unternehmen, die allein zu tragen ist (Kottwitz et al 2019).

Im Folgenden schauen wir auf einige Grundlagen zum Zusammenhang von Arbeitsbedingungen und (psychischer) Gesundheit im Allgemeinen und auf die Arbeits- und Gesundheitssituation von Solo-Selbstständigen im Besonderen.

Stressoren und Ressourcen

Forschungsarbeiten zum Zusammenhang von Arbeit und psychischer Gesundheit haben eine Vielzahl von Arbeitsbedingungen und Faktoren identifiziert, die für Wohlbefinden und Gesundheit bedeutsam sind. Je nach ihrer Beschaffenheit und Ausprägung wirken sie auf arbeitende Personen typischerweise als Stressoren oder Ressourcen. Weil Arbeitsbedingungen bzw. -merkmale diese unterschiedlichen Qualitäten aufweisen, wird auch von Arbeitsqualität gesprochen.

Stressoren

Als Stressoren werden Merkmale der Arbeit und Anforderungen aus der Arbeit bezeichnet, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Stress auslösend und gesundheitsgefährdend wirken (Zapf/Semmer 2004: 1011). Für „Stressoren“ wird auch der Begriff „Belastungen“ benutzt. In der Erwerbsarbeit sind das:
  • Belastungen, die sich aus der Organisation von Arbeitsabläufen und den konkreten Arbeitsinhalten ergeben (arbeitsorganisatorische und aufgabenbezogene Stressoren): Solo-Selbstständige tragen ein besonders hohes Maß an Verantwortung für alle Arbeitsaufgaben wie Akquise, Abrechnung, Kundenkommunikation, Produktgestaltung und vieles mehr, genauso wie auch für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens.1 Zu typischen Stressoren zählen zudem eine hohe Arbeitsdichte, Arbeiten unter Zeitdruck sowie lange und auch in das Wochenende reichende Arbeitszeiten. Schwierigkeiten die Auftrags- und Terminlage langfristig zu planen und Unsicherheiten, z. B. in steuerlichen und rechtlichen Fragen, gehören ebenfalls dazu.
  • Belastungen, die sich aus zwischenmenschlichen Beziehungen im Arbeitskontext ergeben (soziale Stressoren): Dazu gehören z. B. Konflikte mit Auftraggebenden bzw. Kund*innen, aber auch mit Kolleg*innen oder Zulieferern. Stress kann auch die Notwendigkeit auslösen, eigene Gefühle wie Ärger oder Frustration im Umgang mit Kund*innen verbergen und freundlich bleiben zu müssen, das nennt man auch „emotionale Dissonanz“.
  • Belastungen, die sich aus der Einkommens- und Beschäftigungssituation ergeben: Je nach Beruf, Qualifikation und Marktposition erwirtschaften Solo-Selbstständige ganz unterschiedliche Einkommen. Gemeinsam ist den meisten jedoch, dass das Einkommen – anders als bei abhängig Beschäftigten – schlechter planbar ist. Mögliche finanzielle Sorgen und Existenzängste beziehen sich daher nicht nur auf die Einkommenshöhe, sondern auch auf Einkommensschwankungen und die zukünftige Auftragslage.

Stressoren treten in aller Regel nicht vereinzelt, sondern häufig in bestimmten Kombinationen und komplexen Zusammenhängen auf. Sie wirken zusammen (Rothe et al. 2017: 21). Negative Auswirkungen auf die Gesundheit sind insbesondere dann zu erwarten, wenn ein bestimmtes Ausmaß überschritten wird (ebd.: 22), d. h. die belastenden Umstände intensiv sind und lange anhalten.

1 Die hier exemplarisch angeführten Stressoren und Ressourcen bei Solo-Selbstständigen sind den folgenden Untersuchungen entlehnt und werden in diesen genauer erläutert: Clasen 2009: 37ff., 105ff. sowie Kottwitz et al 2019: 130ff.

Ressourcen

Als Ressourcen gelten alle Gegebenheiten oder Mittel, die eine entlastende, kompensatorische bzw. „puffernde“ und stressmindernde, gesundheitsschützende oder -förderliche Wirkung haben. Es handelt sich dabei um Schutzfaktoren: Gemeint sind Möglichkeiten, die einem Menschen zur Verfügung stehen, um mit den verschiedenen Anforderungen umzugehen. Grundlegend werden interne und externe Ressourcen unterschieden (Zapf/Semmer 2004: 1040).

Interne oder personale Ressourcen sind Möglichkeiten, die als Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen in der arbeitenden Person selbst liegen. Das ist neben der fachlichen Kompetenz oder der Berufserfahrung, z. B. die Überzeugung, sich auf die eigenen Fähigkeiten verlassen und auch schwierige Situationen bewältigen zu können (Selbstwirksamkeit).

Externe oder situative Ressourcen sind durch die Arbeits- und Erwerbssituation gegeben und lassen sich unterscheiden in

  • Möglichkeiten, die durch die Art der Arbeit und Arbeitsorganisation sowie die konkreten Rahmenbedingungen gegeben sind (organisationale1/organisatorische Ressourcen): Dazu zählen insbesondere die, für die Selbstständigkeit typischen Handlungs- und Gestaltungsspielräume (Autonomie/Selbstbestimmung) in inhaltlicher, methodischer sowie zeitlicher Hinsicht. Das meint zum Beispiel, selbst zu entscheiden, welcher Auftrag angenommen und wie das Produkt bearbeitet wird sowie die Arbeitszeiten festzulegen. Auch die typischerweise vielfältigen und abwechslungsreichen Aufgaben gehören dazu.
  • Möglichkeiten, die durch soziale Beziehungen und Netzwerke gegeben sind (soziale Ressourcen): Mit beruflichen Netzwerken ist vor allem die Möglichkeit verbunden, von Kolleg*innen unterstützt zu werden, etwa in fachlicher Hinsicht oder durch das Teilen von Informationen. Auch eine gute Zusammenarbeit mit und Wertschätzung durch Auftraggebende bzw. Kund*innen ist eine wichtige soziale Ressource.
  • Verfügbare finanzielle bzw. materielle Mittel (finanzielle Ressourcen): Gerade mit Blick auf das unregelmäßige Einkommen von Selbstständigen im Vergleich zu abhängig Beschäftigten können finanzielle Rücklagen buchstäblich „puffernd“ wirken, um eine schlechte Auftragslage zu überbrücken.

Ihre gesundheitsschützende und -förderliche Wirkung entfalten Ressourcen, wenn sie in ausreichendem Maße vorhanden sind und von der Person genutzt werden können. Es versteht sich von selbst, dass nicht jede Ressource für jeden Stressor geeignet ist, sondern zur stressauslösenden Situation passen muss. Zudem büßen auch Ressourcen an Wirksamkeit ein, wenn ein bestimmtes Ausmaß an Belastung überschritten wird (Rothe et al 2017: 22).

 

1 Von organisationalen Ressourcen wird gesprochen, da die Arbeitsbedingungen – dies gilt natürlich insbesondere für abhängig Beschäftigte und arbeitnehmerähnliche Personen – durch die Organisation bzw. das Unternehmen gestaltet werden.

Stress, Befinden und Gesundheit

Die angeführten Beispiele zeigen an, dass mit der Selbstständigkeit sowohl eine ganze Reihe positiver, gesundheitsförderlicher und -schützender als auch einige potenziell Stress auslösende und gesundheitsgefährdende Aspekte verbunden sind. Wenn das Verhältnis von Belastungen und Ressourcen stimmt und die Anforderungen der Arbeit bewältigt werden können, trägt Arbeit zu Zufriedenheit, Wohlbefinden und Gesundheit bei. Sie wird dann als gute Arbeit erlebt. Auf ein wahrgenommenes Ungleichgewicht zwischen den Anforderungen einer Situation und den wahrgenommenen Möglichkeiten, diese zu bewältigen, reagieren Menschen jedoch mit Stresserleben. Stress kann daher in Anlehnung an die Wissenschaftler*innen Zapf und Semmer definiert werden als ein subjektiv unangenehmer Zustand, der aus der Befürchtung entsteht, eine als unangenehm empfundene und Widerstände hervorrufende Situation, nicht ausreichend bewältigen zu können (Zapf/Semmer 2004: 1011).1 Hält dieser Zustand dauerhaft an, kann sich dies negativ auf die Gesundheit auswirken.

Stress umfasst körperliche und emotionale Prozesse, die längerfristig zu psychischen und körperlichen Befindensbeeinträchtigungen und Erkrankungen führen können. Befindensbeeinträchtigungen sind gesundheitlich relevant, stellen aber noch keine Krankheit dar: So sind z. B. depressive Gedanken ernst zu nehmen, auch wenn es sich dabei nicht um eine Depression handelt, die anhand festgelegter Kriterien eines bestimmten Ausmaßes diagnostiziert wird (Zapf/Semmer 2004: 1070).

1 In der arbeitswissenschaftlichen und -psychologischen Stress- und Belastungsforschung gibt es verschiedene Begriffe, Definitionen und Konzepte, um die Wirkung von (Arbeits-)Bedingungen auf das subjektive Erleben, Befinden und die Gesundheit kurz-, mittel- und langfristig zu erklären. Wir beschränken uns hier auf einige grundlegende Begriffe und Erläuterungen, über die in der Forschung weitgehender Konsens besteht.

Erholung und Gesundheit

Mit Blick auf die mittel- und langfristigen Wirkungen auf Wohlbefinden und Gesundheit, kommt der Möglichkeit, sich von den Anforderungen der Arbeit bzw. der Ermüdung durch die Anstrengung zu erholen, eine besondere Bedeutung zu: Erholung hat eine vermittelnde Funktion zwischen Stresserleben und Gesundheit sowie Leistungsfähigkeit (Kottwitz et al. 2019: 154). Sie kompensiert zum einen die tägliche Beanspruchung, der Solo-Selbstständige ausgesetzt sind und ermöglicht es, mit neuer Energie ans Tagwerk zu gehen. Zum anderen beugt Erholung chronischem Stresserleben vor und minimiert den Regenerationsbedarf (Kottwitz et al. 2019: 22).

Für viele Solo-Selbstständige sind Erholungszeiten jedoch nicht einfach umzusetzen: viele Solo-Selbstständige machen keine regelmäßigen Pausen, nehmen sich weniger als einen arbeitsfreien Tag in der Woche und im Durchschnitt nur etwa 22 Tage Urlaub im Jahr und arbeiten zeitweise trotz Krankheit (Fietz/Wilhelm 2021). Wenn jedoch, etwa durch chronischen Stress, keine Erholung möglich ist, können sich anfängliche Befindensbeeinträchtigungen zu schweren Erkrankungen entwickeln.

Wissenslücken

Die Auswirkungen von unterschiedlichen Aspekten der Arbeitsbedingungen auf Zufriedenheit, Wohlbefinden und Gesundheit sind für Solo-Selbstständige leider weit weniger gut erforscht als für abhängig Beschäftigte. Generell wird jedoch für Solo-Selbstständige eine hohe Arbeitszufriedenheit festgestellt (Clasen 2009: 34ff.) Die wenigen Studienergebnisse zum Gesundheitszustand sind allerdings uneindeutig: So finden einige Studien etwa ein erhöhtes Risiko für psychischen Stress sowie gesundheitliche Beschwerden, etwa bei Solo-Selbstständigen in der Medienbranche oder im Dienstleistungssektor sowie der Erholungsunfähigkeit für IT-Freelancer (Clasen 2009: 32ff.). Andere Studien zeichnen hingegen ein recht positives Bild (Fielden et al. 2003). Die wenigsten Untersuchungen beziehen sich dabei jedoch konkret auf Solo-Selbstständige, sondern nehmen allgemein Selbstständige in den Fokus. Grundsätzlich lässt sich also sagen, dass es hier weiterer Forschung bedarf.

Fazit

Arbeitsstress und seine Auswirkung auf Befinden und Gesundheit fühlt sich vielleicht wie ein „individuelles Problem“ an – das ist es aber selten: Solo-selbstständige Arbeit findet immer in Beziehungen und unter gesetzten Rahmenbedingungen statt. Solo-Selbstständigen wird zwar mit ihrem Status die alleinige Verantwortung für die Ausgestaltung ihrer Arbeitssituation zugeschrieben, diese wird aber ebenso von Auftraggebenden bzw. Kund*innen sowie von Markt- und rechtlichen Bedingungen beeinflusst. Insofern ist Stressvermeidung und -bewältigung nicht allein eine Frage von Selbstfürsorge und persönlicher Verantwortung, sondern braucht gute Rahmenbedingungen. Dazu gehören zum Beispiel Auftraggeber*innen, die sich ihrer Mitverantwortung für die Gestaltung der Arbeitsbeziehung bewusst sind und Marktbedingungen, die es Solo-Selbstständigen ermöglichen existenz- und unternehmenssichernde Einkommen zu generieren, aber auch auf Solo-Selbstständige zugeschnittene Gesundheitsangebote. Gute Rahmenbedingungen ermöglichen es Solo-Selbstständigen für sich selbst passende, gute Arbeitsbedingungen zu gestalten.

Gute Arbeit für Solo-Selbstständige – Kommen wir ins Gespräch!

5. September 2024, 15:00 – 17:00 Uhr, HDS Leipzig und online Kick-off-Veranstaltung zur Erhebung Am 5. September laden wir euch ein, mit unseren Kolleginnen Dr. Anne Röwer, Pia Probst und Rina Depperschmidt, die den Fragebogen entwickelt haben, über die Notwendigkeit einer solchen Erhebung zu sprechen. Gemeinsam wollen wir aufzeigen, wie wichtig die Erhebung ist und welchen Mehrwert die Ergebnisse für jede*n einzelne*n Solo-Selbstständige*n haben. Wir freuen uns auf Verbandsvertreter*innen mehrerer Branchen und natürlich auf viele interessierte Solo-Selbstständige!
19. September 2024, 14:15-14:30 Uhr, Berlin Impuls-Vortrag auf der LABOR.A Ein Index Gute Arbeit für Solo-Selbstständige? Notwendig und herausfordernd! Einblicke in die Entwicklung einer Erhebung der Arbeitsqualität aus Sicht von Solo-Selbstständigen In unserem Impuls gehen wir auf wissenschaftliche und politische Fragen der Erhebung ein: Was ist anders, wenn man auf Gute Arbeit aus Sicht von Solo-Selbstständigen schaut? Warum braucht es ein eigenes Instrument? Welche Herausforderungen sind mit der Entwicklung verbunden? Vor welchen Schwierigkeiten steht die Bildung eines Indexwertes als Maß für Gute Arbeit? Vor welchen Herausforderungen stehen die Politisierung und Gestaltung der Arbeitsbedingungen von Solo-Selbstständigen?
21. September 2024, 14:10 – 15:40 Uhr, re:publica Hamburg, Workshop Space 2 Workshop auf der re:publica Hamburg Flexibles, freies und selbstständiges Arbeiten ist Teil moderner Lebensentwürfe. Doch die Arbeitsbedingungen müssen stimmen – auch für Solo-Selbstständige! Wir diskutieren auf der re:publica Hamburg, wie eine derart heterogene Gruppe gemeinsam „Gute Arbeit“ definieren kann und was getan werden muss, um diese voranzubringen.
30. September 2024, tba, online 22. Oktober 2024, tba, online 13. November 2024, tba, online Infosession zur Erhebung für Interessierte In der Info-Session möchten wir euch über die Erhebung und ihren Hintergrund informieren sowie eure Fragen beantworten. Wir stellen vor, wonach wir fragen und was wir uns dabei gedacht haben, warum eine solche Erhebung nötig ist und wofür die erhobenen Daten genutzt werden können.